- Gemeindefinanzen
- Gemeindefinanzen,Gesamtheit der Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Gemeindefinanzen dienen der Finanzierung der kommunalen Aufgaben. In Deutschland garantiert Art. 28 GG das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden. Dem entspricht in finanzwirtschaftlicher Hinsicht notwendigerweise eine Aufgaben- und Ausgabenautonomie. Während die ökonomische Theorie des Föderalismus Kriterien für eine ökonomisch optimale Zuordnung von Aufgaben an die Gemeinden entwickelte, führte in der Praxis das Bemühen um die Gewährleistung möglichst gleicher Lebensverhältnisse im Gesamtstaat oder vielmehr um ein allgemeines Mindestniveau bei der Versorgung mit öffentlichen Gütern und Leistungen dazu, dass das eigenständige Ausgabengebaren der Gemeinden durch eine große Zahl von (weisungsfreien und weisungsgebundenen) Pflichtaufgaben und Auftragsangelegenheiten beträchtlich eingeschränkt wurde. Noch stärker ist der einnahmenpolitische Spielraum der Gemeinden eingeengt. Gegenüber der Aufgaben- und Ausgabenautonomie ist die Einnahmenautonomie ohnehin nachrangig. Zwar wäre die Selbstverwaltungsgarantie sinnentleert, wenn den Gemeinden nicht eine angemessene Finanzausstattung gesichert würde, offen bleibt aber, ob der kommunale Finanzbedarf aus erwerbswirtschaftlicher Betätigung, aus Abgaben oder aus Zuweisungen von Bund und Ländern im Rahmen des Finanzausgleichs zu decken ist. Zudem setzt eine im wesentlichen Maße auf Steuereinnahmen gestützte Ausgabenfinanzierung auch nicht notwendigerweise eine Finanzhoheit im Sinne von kommunaler Gesetzgebungshoheit und Steuererfindungsrecht voraus (Art. 105 GG weist die Steuergesetzgebungshoheit ausschließlich Bund und Ländern zu). Ein kommunales Steuererfindungsrecht gibt es daher nur als abgeleitetes (und eingeschränktes) Recht bezüglich der örtlichen Verbrauchsteuern; im Übrigen haben die Gemeinden eine Steuersatzhoheit bezüglich der Hebesätze von Gewerbe- und Grundsteuer sowie die Ertragshoheit für bestimmte Gemeindesteuern.Auf die Gemeindeebene entfielen in Deutschland (2000) rd. 25 % der Gesamtausgaben der Gebietskörperschaften (Bund mit Sondervermögen, Länder, Gemeinden). Beachtenswert ist v. a., dass fast zwei Drittel (62,2 %) der Sachinvestitionen aller Gebietskörperschaften von den Gemeinden getätigt werden. Die Zusammensetzung der Ausgaben und Einnahmen sowie die Pro-Kopf-Zahlen weisen inzwischen nur noch geringe Unterschiede zwischen den Gemeinden in den alten und in den neuen Bundesländern auf.In den alten Ländern wurde die Entwicklung seit 1989 zunächst bestimmt durch wachsende soziale Leistungen (v. a. in den Städten). Durch Sparmaßnahmen in anderen Bereichen (z. B. kommunale Einrichtungen, laufender Sachaufwand) konnte der Anstieg der kommunalen Ausgaben ab 1993 verlangsamt werden. 1996-98 ging das Volumen der Gesamtausgaben sogar zurück. Hatten die Gemeindefinanzen 1989 noch einen Überschuss von 2,3 Mrd. DM aufgewiesen, so entstanden in den Folgejahren Finanzierungsdefizite von bis zu 12 Mrd. DM (1995). Seit 1998 weisen die Gemeinden im früheren Bundesgebiet dagegen einen Finanzierungsüberschuss auf. Entsprechend stieg die Nettokreditaufnahme, die in den Jahren vor der Wiedervereinigung (1990) rückläufig gewesen war, zunächst kräftig an. Seit 1999 ist die Schuldentilgung größer als die Schuldenaufnahme.Bei den Einnahmen (ohne Kreditaufnahme) entfielen (2000) 39,2 % auf Steuern (Gemeindesteuern), 12.2 % auf Gebühren, 6,5 % auf erwerbswirtschaftliche Einnahmen, 4,8 % auf Erlöse aus der Veräußerung von Vermögen und 28,5 % auf Zuweisungen der Länder und des Bundes. Unter den Steuereinnahmen steht an erster Stelle der 15 %ige Anteil der Gemeinden am Aufkommen der Lohn- und der veranlagten Einkommensteuer, durch den die Gemeinden an der Progressionswirkung der Einkommensteuer partizipieren. Er wird auf die Gemeinden eines Landes entsprechend dem Anteil der Einkommensteuerzahlungen der Bürger der einzelnen Gemeinde an den gesamten Einkommensteuerzahlungen aller Bürger in dem jeweiligen Land aufgeteilt (in den neuen Ländern werden vorläufig die Bevölkerungszahlen als Verteilungsmaßstab herangezogen). Berücksichtigt werden allerdings nur die Steuerzahlungen, die auf zu versteuernde Einkommen bis zu 40 000 beziehungsweise 80 000 DM (Ledige beziehungsweise Verheiratete; Werte seit 1994) entfallen. Hinzu kommen seit 1993 ein kommunaler Anteil (12 %) am Aufkommen des Zinsabschlags sowie seit 1998 ein Anteil (2,2 %) an der Umsatzsteuer.Der größte Teil der Zuweisungen, die die Gemeinden in den alten Ländern von anderen Gebietskörperschaften beziehen, kommt von den Ländern im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Insgesamt rd. zwei Drittel der Länderzuweisungen (der Anteil schwankt von Land zu Land) fließen aus einer Finanzmasse, die durch einen Steuerverbund zwischen Land und Gemeinden gebildet wird, der Rest stammt aus allgemeinen Haushaltsmitteln der Länder. Die Quellen, aus denen die Verbundmasse gespeist wird, der den Gemeinden eines Landes insgesamt zustehende Anteil an der Verbundmasse (Verbundquote) und die Verteilung der Ausgleichsmasse (Verbundmasse × Verbundquote) auf die einzelnen Gemeinden sind von Land zu Land unterschiedlich in den (im Allgemeinen jährlich verabschiedeten) Finanzausgleichsgesetzen der Länder geregelt. Nach dem obligatorischen Steuerverbund gemäß Art. 106 Absatz 7 GG erhalten die Gemeinden auf jeden Fall einen von der Landesgesetzgebung zu bestimmenden Prozentsatz vom Landesanteil am Aufkommen der Gemeinschaftsteuern. Im Rahmen der Bemühungen um Haushaltskonsolidierung wurde diese Quote in einer Reihe von Ländern im letzten Jahrzehnt beträchtlich gekürzt. Über die obligatorische Regelung hinaus ziehen einige Länder auch den Landesanteil an der Gewerbesteuerumlage, die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und bestimmte Landessteuern in die (allgemeine) Verbundmasse ein, oder sie beteiligen die Gemeinden mit besonderen Prozentsätzen am Aufkommen bestimmter Landessteuern (fakultativer Steuerverbund). Zu diesen Steuern gehören derzeit v. a. die Grunderwerbsteuer, ferner die Kraftfahrzeugsteuer sowie vereinzelt die Vermögensteuer (zum 1. 1. 1996 entfallen).Bei den Gemeinden in den neuen Ländern sind die im Vergleich zu den alten Ländern hohen Anteile der Ausgaben für Sachinvestitionen charakteristisch für die Ausgabenstruktur. Auf der Einnahmenseite ist die originäre Finanzkraft der ostdeutschen Gemeinden auch nach Übernahme des westdeutschen Gemeindefinanzsystems noch gering. Während in den westdeutschen Gemeinden Steuern, Gebühren und Beiträge mehr als die Hälfte der Einnahmen ausmachen, bestreiten diese Abgaben in den ostdeutschen Gemeinden nur rd. ein Viertel der Einnahmen. Die ostdeutschen Kommunen sind damit weiterhin in hohem Maße von den Zuweisungen von Land und Bund abhängig (2000: 57,3 % der Einnahmen).Die Verschuldung ostdeutscher Gemeinden nahm im Zeitraum 1991-2000 erheblich stärker zu als bei den westdeutschen Kommunen, so dass die Schulden je Einwohner inzwischen fast genauso hoch sind wie bei den westdeutschen Gemeinden. 1991 hatten sie nur 27 % des westdeutschen Niveaus betragen. Insgesamt war der Anstieg der Nettokreditaufnahme der deutschen Gemeinden aber immer noch geringer als bei Bund und Ländern. So betrug der Anteil der Gemeindeebene an den Gesamtschulden aller öffentlichen Haushalte Mitte 2001 nur noch 8,3 %. Dementsprechend ist auch der Anteil der Zinsausgaben an den Gesamtausgaben bei den Kommunen mit (2000) 3,6 % in den alten und 3,4 % in den neuen Ländern deutlich niedriger als bei Bund und Ländern.Die Verschuldungsmöglichkeit der Gemeinden ist im Vergleich zu Bund und Ländern beträchtlich eingeschränkt: Kredite (außer Kassenkrediten) dürfen nur für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen oder zur Umschuldung aufgenommen werden. Darüber hinaus bedarf die jährliche Neuverschuldung der Genehmigung durch die kommunale Aufsichtsbehörde. Diese prüft, ob die Verpflichtungen aus der früheren und der geplanten Kreditaufnahme nicht zu einer Gefährdung der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Gemeinde führen. Maßgebliches Kriterium bei der Ermittlung der »Verschuldungsgrenze« ist die freie Spitze.Problematisch für die Gemeindefinanzen sind die zunehmenden fremdbestimmten kommunalen Leistungsverpflichtungen (z. B. Sozialhilfe, Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, 3. Reinigungsstufe bei Kläranlagen gemäß EG-Recht). So machen sich strukturelle Veränderungen der Arbeitslosigkeit (Zunahme von Langzeitarbeitslosigkeit) in steigenden kommunalen Sozialhilfeausgaben für Arbeitslose bemerkbar. Die Gemeinden kritisieren daher alle Absichten einer (bundesgesetzlichen) Begrenzung der Leistungen für Arbeitslose als eine Verlagerung von Ausgaben vom Bund auf die Gemeinden. Inwieweit andererseits verschiedene bundesgesetzliche Maßnahmen (z. B. Einführung der Pflegeversicherung, Begrenzung der Regelsätze bei der Sozialhilfe, Neuregelung des Asylrechts) eine bremsende Wirkung auf die Expansion der Sozialhilfebelastungen der Kommunen ausgeübt haben, wird von Bund und Gemeinden sehr unterschiedlich beurteilt. Eine nahezu existenzielle Frage für die ostdeutschen Gemeinden waren die kommunalen Altschulden. Sie wurden im Januar 1997 in den Erblastentilungsfonds übernommen. Die künftige Entwicklung der Gemeindefinanzen in Deutschland wird darüber hinaus dadurch bestimmt werden, ob und auf welche Weise die Einnahmeausfälle der Gemeinden durch den Abbau der Gewerbesteuer kompensiert und inwieweit durch Rationalisierung sowie Privatisierung kommunaler Dienstleistungen Einsparungserfolge erzielt werden können.Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:Gemeinde · Gemeindewirtschaftsrecht · KommunalpolitikH. Pagenkopf: Das Gemeindefinanzsystem u. seine Problematik (1978);H. Karrenberg u. E. Münstermann: Gemeindefinanzbericht, in: Der Städtetag (1980 ff., jährl. im Februarheft);J. E. Rosenschon: Gemeindefinanzsystem u. Selbstverwaltungsgarantie (1980);G. Seiler: Gemeinden III, Finanzen, in: Hwb. der Wirtschaftswiss., hg. v. W. Albers u. a., Bd. 3 (1981);Hb. der kommunalen Wiss. u. Praxis, hg. v. G. Püttner u. a., Bd. 6: Kommunale Finanzen (21985);P. Marcus: Das kommunale Finanzsystem der Bundesrep. Dtl. (1987);B. Rahmann u. a.: Empir. Analyse der Autonomie lokaler Finanzwirtschaften in der Europ. Gemeinschaft (1994).
Universal-Lexikon. 2012.